Buchempfehlung
Eintrag vom: 10.03.2025

Buchempfehlung: „Sterben ungeschminkt“ – Ein Gespräch ohne Tabus
Der Tod ist ein Thema, das viele Menschen lieber verdrängen. Doch genau hier setzt das Buch „Sterben ungeschminkt“ von Prof. Dr. Ernst Engelke, Lea Reinhard und Michael Reinhard an. Die Autoren sprechen offen über das Sterben, die Trauer und den gesellschaftlichen Wandel in der Bestattungskultur. Sie räumen mit Mythen auf, hinterfragen bestehende Rituale und geben Anregungen, sich aktiv mit der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen.
In unserer täglichen Arbeit als Bestatter erleben wir, wie unterschiedlich Menschen mit dem Tod umgehen. Während einige den traditionellen kirchlichen Abschied wünschen, entscheiden sich andere bewusst für alternative Bestattungsformen. Genau diesen Wandel beleuchten die Autoren auf Seite 83 des Buches: Die Bestattungskultur hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert, und damit auch die Art und Weise, wie wir trauern.
Wandel der Bestattungsarten und seine Auswirkungen auf die Trauer
Früher war die Erdbestattung die häufigste Bestattungsform, oft verbunden mit festen kirchlichen Ritualen und einer Grabstätte als Ort des Gedenkens. Heute wählen jedoch immer mehr Menschen eine Feuerbestattung – sei es aus Kostengründen, aus praktischen Überlegungen oder weil sie sich eine andere Form des Abschieds wünschen. Dieser Trend hat weitreichende Auswirkungen auf den Trauerprozess.
Bei einer Erdbestattung findet die Beisetzung in der Regel wenige Tage nach dem Tod statt. Die Trauerfeier und die Beisetzung erfolgen in einem einzigen, zusammenhängenden Abschiedsritual. Angehörige erleben dadurch einen schnelleren Übergang von der Schock- und Akzeptanzphase hin zur individuellen Trauerverarbeitung. Die Grabstelle ist ab dem Moment der Beisetzung ein fester Ort des Gedenkens, an den sich viele Angehörige regelmäßig zurückziehen.
Bei einer Feuerbestattung hingegen verlängert sich der Prozess: Zunächst erfolgt die Einäscherung, dann wird die Urne erst nach mehreren Tagen oder Wochen beigesetzt. Diese Verzögerung kann die Trauer in eine Art „kontrollierte Phase“ überführen – die Zeit bis zur Urnenbeisetzung hält viele Angehörige in einem Zustand des Wartens. Erst mit der tatsächlichen Beisetzung der Urne beginnt oft die eigentliche Trauerarbeit.
Gerade in unserer Arbeit beobachten wir, dass sich durch diese verlängerte Phase viele Trauernde in einer Art „Zwischenzustand“ befinden: Einerseits ist der Verstorbene bereits nicht mehr physisch präsent, andererseits gibt es noch keinen festen Ort des Abschieds. Dies kann dazu führen, dass die emotionale Verarbeitung des Verlusts erst später beginnt und sich der Trauerprozess insgesamt in die Länge zieht.
Die Autoren regen in ihrem Buch dazu an, sich dieser Unterschiede bewusst zu werden und die Entscheidung für eine Bestattungsart nicht nur aus pragmatischen Gründen zu treffen. Sie betonen, dass die Wahl der Bestattung direkten Einfluss darauf hat, wie Trauer erlebt und verarbeitet wird.
Rituale und Abschied: Der Mensch braucht Halt
Neben der Bestattungsart ist auch die Frage nach Ritualen ein wichtiger Aspekt, den das Buch beleuchtet. Rituale helfen dabei, den Verlust zu begreifen und dem Abschied eine Form zu geben. Sie können klassisch sein – wie das Anzünden einer Kerze oder das Niederlegen von Blumen – oder individuell gestaltet werden.
Gerade bei Feuerbestattungen ist es wichtig, dass Angehörige Möglichkeiten erhalten, ihre Trauer schon vor der Urnenbeisetzung auszudrücken. Wir als Bestatter erleben immer wieder, wie wichtig es für Hinterbliebene ist, aktiv in den Abschied eingebunden zu sein – sei es durch persönliche Abschiedsbriefe, Musik oder symbolische Gesten.
Eine bewusste Entscheidung für den richtigen Weg
Das Buch „Sterben ungeschminkt“ zeigt eindrucksvoll, dass es keinen „richtigen“ oder „falschen“ Weg gibt, mit Tod und Trauer umzugehen. Es bietet wertvolle Impulse für Angehörige, aber auch für Fachleute in der Bestattungsbranche. Besonders die Diskussion über den Wandel der Bestattungskultur und seine Auswirkungen auf den Trauerprozess ist ein Thema, das uns in unserer täglichen Arbeit immer wieder begegnet.
Das Buch ist im Verlag Herder erschienen und umfasst 176 Seiten. Eine klare Empfehlung für alle, die sich bewusst mit dem Thema Abschied auseinandersetzen möchten.